In diesem Kapitel lernen Sie, was sich hinter Basel II verbirgt, und welche Auswirkungen es auf Ihr Unternehmen hat. Basel II

 

Basel II

Am 31. Mai 2001 hat der Basler Ausschuss das zweite Konsultationspapier verabschiedet (Basel II). Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ist ein Gremium, dem Vertreter der Landeszentralbanken der G10- Länder angehören. Ziel des Ausschusses ist die Stabilisierung des internationalen Finanzsystems. Bereits seit 1988 müssen Banken für jeden Kredit, den Sie gewähren, 8 % der Kreditsumme, gewichtet mit einem variierenden Risikofaktor, als Eigenkapital unterlegen. Der Risikofaktor beträgt bei öffentlichen Krediten 0%, bei Banken 20% und bei privatwirtschaftlichen Unternehmen 100% (der 8% Eigenkapitalhinterlegung). Diese Regelung soll - nach den Empfehlungen des zweiten Konsultationspapiers - ab 2005 auf eine individuelle Risikoeinstufung umgestellt werden.

Bisher galt die Eigenkapitalhinterlegung der Banken bei privatwirtschaftlichen Unternehmen unabhängig von deren Bonität. Daher gelten für alle Kreditnehmer im wesentlichen die gleichen Zinssätze. Natürlich gibt es einen gewissen Verhandlungsspielraum bei den Zinskonditionen, den vertrauenswürdige Bankkunden zu nutzen wissen. Dennoch begünstigt die bisherige Regelung der Eigenkapitalunterlegung Unternehmen mit schlechter Bonität - sie profitieren von vergleichsweise günstigen Zinsen bei einem großen Ausfallrisiko für die Bank. Unternehmen mit guter Finanzlage hingegen bezahlen die Zinshöhe der Risikounternehmen mit.

Mit dem Konsultationspapier Basel II werden sich für alle Banken die Kosten für Unternehmenskredite ohne entsprechende Absicherung verteuern. Sie müssen - je nach Einstufung - zwischen 20 und 150% der bereits erwähnten Summe von 8% absichern. Eine solche Einschätzung eines Unternehmens und die daraus folgenden individuellen Kreditkosten müssen anhand von nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. Dazu wird das Instrument des Rating herangezogen. Nach Informationen der amerikanischen Marktführer im Ratingbereich, Moodys und Standard & Poors sind weltweit bisher ca. 10.000 Unternehmen geratet.

Das Rating

Ein Rating in diesem Zusammenhang prognostiziert die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachkommen wird. Gegenstand ist eine umfassende Analyse der Chancen und Risiken, die zu Unternehmenskrisen führen oder diese verhindern können. Ziel ist es, Unternehmen miteinander vergleichbar zu machen und aufgrund historischer und aktueller Daten über das Unternehmen und sein Umfeld Aussagen über die zukünftige Bonität der gerateten Firma zu treffen. Als Ergebnis kommt eine Einstufung zwischen den Ratingsymbolen AAA (höchste Kreditsicherheit) bis D (Insolvenz).

Nach den Richtlinien von Basel II können die geforderten Ratings ausdrücklich sowohl von privaten Dienstleistungsanbietern (externes Rating), als auch von den Banken (internes Rating) gemacht werden.

Externes Rating

Externe Ratings werden von Dienstleistern, sogenannten Rating-Agenturen verfasst. Da das Verfahren der Unternehmensbewertung durch ein Rating aus den USA stammt (Bewertung vor allem von Großunternehmen), sind hier auch die großen Agenturen und Marktführer im Ratingbereich angesiedelt. Ratingagenturen haben den Vorteil, dass sie bankenunabhängig sind. Sie sind jedoch relativ teuer und werden bisher hauptsächlich von Großunternehmen beauftragt. In den letzten Jahren sind - auch in Deutschland - einige neue Ratingagenturen entstanden, die sich auf die neue Zielgruppe Mittelstand konzentrieren. Wegen der Relevanz der Ratingergebnisse werden an ein externes Rating hohe Ansprüche bezüglich Aktualität, Objektivität, Unabhängigkeit und Diskretion gestellt.

Internes Rating

Die Alternative zu externen Bewertungen sind Ratings, die von der Bank verfasst werden. Ihr Ziel ist in erster Linie, die Kreditwürdigkeit ihrer KundInnen und damit die Risikowahrscheinlichkeit eines Geldverlustes beurteilen zu können. Auch bisher haben die Banken schon verschiedene Indikatoren geprüft, um über einen Kreditantrag und Zinskonditionen zu entscheiden. Nach den aktuellen Anforderungen von Basel II muss ein internes Bankenrating von den Aufsichtsbehörden (hier: Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen) genehmigt werden, und es müssen die Ergebnisse offengelegt und vergleichbar gemacht werden.

Nutzen eines Rating

Welche Vorteile können Ratings (vor allem von unabhängigen externen Dienstleistern) einem mittelständischen Unternehmen bringen?

Informationsinstrument für das Management
Ein Rating ist eine betriebswirtschaftlich orientierte Stärken-Schwächen-Analyse, die das Potential aufzeigt und dem Management so rechtzeitig ermöglicht, Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Genauso kann diese Analyse aber auch ungenutzte Stärken und Zukunftschancen ergeben, die erst dadurch ausgebaut und genutzt werden können. Insofern ist es eine wichtige Informationsquelle für die mittel- uns langfristige Ausrichtung des Unternehmens auf dem Markt.
Nachweis der Kreditwürdigkeit
Jede Bank strebt nach Absicherung ihrer Risiken. Daher ist es für ein mittelständisches Unternehmen nicht immer einfach, von der Hausbank einen - oft dringend benötigten Kredit - zu erhalten. Gute und vertrauenswürdige Beziehungen zur Bank helfen. In der Gestaltung dieser Beziehungen kann ein Rating zukünftig gute Unterstützung leisten. Es ist zu erwarten, dass die Banken das Rating in ihre Entscheidung über die Kreditvergabe und -konditionen sehr stark mit einbeziehen.
Reduzierung der Finanzierungskosten
Aus dem vorangegangenen Punkt ergeben sich für ein Unternehmen mit gut gerateter Bonität eine deutlich preiswertere Beschaffung von Geldmitteln.
Identifikation von internen Risiken
Unternehmenskrisen kündigen sich meist lange Zeit vor Ausbruch der Krise an, werden aber häufig erst bei Zuspitzung der Situation oder akuten Liquiditätsproblemen erkannt. Auch hierbei hilft ein Rating, da latente Entwicklungen, die zur Krise führen können, frühzeitig identifiziert werden und das Management entsprechend sensibilisiert wird.
Kommunikationsinstrument
Ein Rating kann auch als Kommunikationsmittel gegenüber KundInnen, LieferantInnen und MitarbeiterInnen sowie AnteilseignerInnen und der Öffentlichkeit dienen. Fällt es positiv aus, dann festigt es wichtige Außenbeziehungen und unterstützt die Akquisition und den Erhalt von MitarbeiterInnen, eine wichtige Know-How-Basis im Unternehmen. Zudem wird der Aufbau neuer Beziehungen zu KundInnen und LieferantInnen bzw. von Kooperationen erleichtert.

Was wird bei einem Rating in die Analyse einbezogen?

Je nach Art und Ziel des Rating (intern durch die Bank, extern durch eine Agentur) können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und entsprechende Kennzahlen zu Rate gezogen werden.

Ratingagenturen und Banken gehen davon aus, dass es bestimmte, früh erkennbare Anzeichen für Unternehmenskrisen gibt, die bei gesunden Unternehmen nicht vorhanden sind und interner oder externer (Umgebungsfaktoren) Natur sein können. Auf dieser Grundlage analysieren sie Chancen und Risiken eines Unternehmens anhand verschiedener Indikatoren. Folgende Datengrundlagen werden mit einbezogen:

Indikator Jahresabschluss

Die Jahresabschlüsse der letzten 3-5 Jahre werden nach objektiven Kriterien geprüft und aufbereitet. Kennzahlen können nach drei Verfahren klassifiziert werden:

1. Zeitvergleich:
Durch einen Vergleich der Unternehmensentwicklung der letzten Jahre werden Trends und Entwicklungen mit negativen/positiven Tendenzen sichtbar.
2. Betriebsvergleich:
Die Kennzahlen des Jahresabschlusses werden mit den Durchschnittsdaten der Branche verglichen. Spürbare Abweichungen gelten als Stärke bzw. Schwäche des Unternehmens. Einschränkungen dieser Vergleichsdiagnostik liegen darin, dass es hier lediglich um Durchschnittswerte geht, die keine präzisen Aussagen zulassen.
3. Normenvergleich
Hier werden Unternehmenskennzahlen mit normativen oder statistisch abgeleiteten Prüfkriterien verglichen. Sind diese Kriterien aus der empirischen Insolvenzforschung abgeleitet, so ist dieses Verfahren den anderen beiden Verfahren überlegen, da die Prüfkriterien eine genaue Diagnose ermöglichen.

Indikator Qualitative Unternehmensdaten

Neben dem Jahresabschluss ergänzen qualitative Unternehmensdaten die Analyse. Sie sollen die zukunftsgerichteten Bestandschancen eines Unternehmens aufzeigen. Ein spezielles Risikoprofil entsteht durch die Bewertung der Chancen- und Risikofaktoren in folgenden Themenbereichen:

Strategie
Controlling
Risikomanagement
Finanzstatus und -risiken
Kunden und Lieferantenprozess
Produkt- und Marktperspektiven
Inhaber, Management und Mitarbeiter
Prozess- und IT-Strukturen

Indikator Zahlungsverhalten

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das frühere Zahlungsverhalten gegenüber Lieferanten, Leasinggesellschaften, der Bank etc.. Daraus resultieren wichtige Aussagen über die Solidität des Unternehmens. Insolvenzanträge, Vergleiche, Scheck- und Wechselproteste, Kontenpfändungen etc. schlagen im Rating negativ zu Buche. Gerade in diesem Themenbereich kann ein Unternehmen deutliche Plus- oder Minuspunkte im Ratingergebnis verbuchen.

Indikator Unternehmensumfeld

Die Prüfung des Unternehmensumfeldes ergibt sich aus der Erfahrung, dass Unternehmenskrisen meist aus einer Kombination interner und externer Faktoren entstehen.

Neben der allgemeinen Branchenstruktur spielen in diesem Themenbereich folgende Merkmale eine Rolle:

Marktentwicklung (Wachstumschancen, Preispolitik)
Internationale Wettbewerbsfähigkeit
Konjunkturabhängigkeit
Konzentrationsentwicklung und Gründungspotential
Allgemeine Insolvenzgefahr der Branche
Technologische Entwicklungen

Welche Methoden werden angewandt?

Subjektive (von der Person des Analysten abhängig) oder objektivierte (statistische, empirisch getestete) Verfahren werden angewendet. In der Praxis läuft die Analyse auf eine Kombination beider Verfahren hinaus.

Probleme und Diskussionsbedarf

Ein Kritikpunkt liegt in der Anwendung bei KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen): Ratings sind teuer und wurden ursprünglich für Großunternehmen entwickelt. KMUs haben meist weder den Finanzbedarf noch die Ressourcen, um sich eine solch aufwendige Analyse, die mittelständische Unternehmen immerhin einen fünfstelligen Betrag kostet, leisten zu können und zu wollen.
Banken sind auf die Anforderungen vergleichbarer interner Ratings personell noch nicht vorbereitet. Es ist anzunehmen, dass hier enorme zusätzliche Anforderungen auf die Banken zukommen.
Zudem sind KMUs nicht mit den Großunternehmen vergleichbar. Die Wertigkeit des Unternehmers liegt oftmals weit über dem Einfluss anderer Unternehmensfaktoren. Ein besonderer Fall hier sind auch Freiberufler. Die Stärken und Schwächen eines solchen Unternehmens liegen in der Person und im Know-how des Inhabers begründet. Diese Kriterien aber bleiben beim Rating weitgehend unberücksichtigt.

Wie geht es weiter?

Die Entscheidungen des zweiten Konsultationspapiers befinden sich noch in der Diskussionsphase. Durch die unterschiedlichen Finanzstrukturen der beteiligten Länder gibt es noch einige Uneinigkeiten. Bundeskanzler Schröder hat erhebliche Bedenken gegenüber der Basler Entscheidung bzüglich der Belastungen und Kosten für den Mittelstand erklärt (Quelle: FAZ v. 1.11.2001). Im Grundsatz allerdings steht die Entscheidung des zweiten Konsultationspapiers. Wichtige Detailfragen sind derzeit in der Verhandlungsphase. Die entsprechenden Richtlinien sollen dann bis Anfang 2005 in Kraft treten, um allen Beteiligten ausreichend Zeit zur Umsetzung zu geben.

Letztlich sind die Entscheidungen des Basler Ausschusses die Grundlage für eine Selbstverpflichtung der wichtigsten internationalen Banken. Um diese auch durchzusetzen, muss eine weitgehende Einigkeit erzielt werden.

Als Fazit für die Unternehmen kann gelten:

Ein Rating ist zwar kosten- und aufwandsintensiv, kann aber auch Vorteile bringen: Durch eine objektive vergleichbare Einstufung des eigenen Unternehmens innerhalb des Marktes und eine umfassende Stärken-Schwächen-Analyse können Risikopotential, aber auch neue Stärken rechtzeitig erkannt und das Ergebnis in einer strategischen Zukunftsplanung genutzt werden.
Unternehmen mit guter Bonität und Zukunftsprognosen können auf dem Kapitalmarkt günstiger an die Finanzierung für das weitere Wachstum kommen.

Quellen

IHK Nord Westfalen,
Wunsch/Weiß: Rating - Finanzdienstleistung und Entscheidungshilfe. DIHL, März 2001.
Artikel : "Die Bundesregierung will den derzeitigen Entwurf von "Basel 2" kippen". FAZ v. 1.11.2001.
Artikel "Die unterschätzte Gefahr für den Mittelstand: Die neue Eigenkapitalrichtlinie "Basel 2" verkennt die Eigenarten von Personenunternehmen". (FAZ v. 23.10.2001).
Artikel "Viele Deutsche Mittelständler nicht auf Rating vorbereitet: Die Folgen von Basel 2 sind bekannt, gehandelt wird aber nur selten" Studie von PWC Deutsche Revision. (FAZ v. 7.5.2001)

Zusammengestellt von Cordula Beck, Projektleiterin KEIM e.V.

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